Hugo Stamm – Achtung Esoterik

Hugo Stamm – Achtung Esoterik

„Esoterik ist heute ein ausgeklügeltes System zur raschen Befriedigung übersinnlicher Bedürfnisse.“ Diese kühne These vertritt der Zürcher Journalist und Weltanschauungsfachmann Hugo Stamm. Esoterik sei, so Stamm, gnadenlos kommerzialisiert und verhindere eher das „Ringen um wahre mystische Erkenntnisse“, als sie zu ermöglichen. Gute Gründe führt Stamm für seine Thesen an. Mit peniblen Recherchen und profunder Sachkenntnis nimmt er die „Glaubensfabrik moderne Esoterik“ aufs Korn. Dass er dabei weder ironisch noch überheblich wird, unterscheidet sein Buch etwa von Werken kirchlicher Weltanschauungsbeauftragter. Stamm geht dem Phänomen mit journalistischem Pathos statt mit apologetischem Anspruch nach. Als Zeitungsredakteur hat er kein anderes Terrain zu verteidigen als die journalistische Sorgfaltspflicht – und die erfüllt er in beeindruckender Weise.

Nicht zum Rundumschlag tritt er an, sondern er widmet sich den „radikalen Formen der neuen Esoterik“. Damit meint er nicht „sanfte Formen“ wie Bach-Blüten-Therapie und Astrologie, sondern das Spektrum zwischen „Astralreisen“ und dem Glauben an „universelle Gesetze“, „Bilokationen“ und „Transmutationen“ sowie das „positive Denken“. Immer mehr Esoteriker ließen sich von den „übertriebenen und unrealistischen Versprechen und von übersinnlicher Effekthascherei blenden und verraten damit die wahre Mystik“. Deren Kennzeichen seien Freiheit und Weltzugewandtheit, Demut und Bescheidenheit.

Verständlich leitet Stamm seine Leser durch den Esoterik-Dschungel der westlichen Welt. Wer sein Bedürfnis nach Sinnsuche und Spiritualität befriedigen möchte, kann schnell in die Fallgruben unseriöser Geldmacher geraten. Der dargebotene Mix von Okkultismus und New-Age-Ideologie, Karmaglaube und fernöstlichen Heilungsmethoden berge ein „beträchtliches Suchtpotenzial“, befürchtet Stamm. Das „positive Denken“ propagiere „den Sieg der Stärkeren über die Schwächeren“. Mit ihrer Übermenschen-Ideologie, tituliert als „höheres Bewusstsein“, stelle die moderne Esoterik eine „passive Form des Faschismus“ dar. Das Diktat würden „Meister und Erleuchtete übernehmen“ – die Demokratie hätte ausgedient. Theologisch gesehen würde bei den Esoterikern „der Glaube an die Selbstvergottung triumphieren“ zulasten einer ernsthaften religiösen Sinnsuche. Ein ausführliches Glossar erklärt Fachwörter und Praktiken der esoterischen Szene.

Hugo Stamm: Achtung Esoterik. Zwischen Spiritualität und Verführung. Pendo Verlag, 2000, 243 Seiten, ISBN 3858423882

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