Klaas Huizing: Das Testament der Kühe
Audio: Beitrag für Radio Bremen
Obwohl Klaas Huizing zwischen Kühen aufgewachsen ist: Cowboy geworden ist er dann doch nicht. Sondern evangelischer Theologieprofessor in Würzburg In diesem Amt taucht er in die Tiefen des systematischen Denkens ab, schreibt Bücher über „Ästhetische Theologie“ und Biografien über wegweisende Theologen wie Johannes Calvin und Karl Barth. Als ob ihm das noch nicht genug Freude bereite, frönt er neben dem wissenschaftlichen Werkeln seiner Leidenschaft für die schöngeistige Literatur. Mehrere Romane hat er geschrieben. Tiefsinnig und unterhaltsam verpackt er darin die dramatischen und amüsanten Seiten des Lebens.
Der Titel seines neuesten Romans klingt leicht biblisch, dann aber doch wieder nicht: „Das Testament der Kühe“. Es spielt in Norddeutschland, irgendwo Richtung Nordhorn, kurz vor der niederländischen Grenze. Da stammt Huizing her. Und da lässt der Autor seine Hauptfigur Hendrik Hemsterhuis geboren werden. Erstaunlicherweise tritt der beruflich nicht in die Fußstapfen seines Vaters, eines Baustoffgroßhändlers. Sein Berufsziel: Pastor. Bis ein dramatischer Unfall geschieht: Er steigt aus dem Auto, wirft sich quasi wie Nietzsche verzweifelt der Kuh an den Hals und macht dort eine Erfahrung, die ihm hilft, auszusteigen. Das war, wenn man so will, das Testament der Kühe. Es ist die Situation, wo er sich entscheidet auszusteigen und ans andere Ende der Welt zu reisen.
Das Leben, aus dem Hendrik Hemsterhuis aussteigt, findet in der kauzigen Enge und gleichzeitig wohligen Wärme des norddeutsch-reformierten Christentums statt. Die sogenannten Calvinisten sind schon ein besonderes Völkchen – Klaas Huizing weiß das aus seiner eigenen Geschichte. Deswegen ist seine Schilderung der Kindheit und Jugend des Hendrik Hemsterhuis so rührig bodenständig.
Die Menschen, die Klaas Huizing schildert, sind in ihrer Spießigkeit und in ihren Sehnsüchten skurril und liebenswert. Allesamt sind sie Originale, die in ihrer Blase leben, komme was wolle. Wer könnte ihnen vorwerfen, sie hätten vom freien Geist des Christentums nichts verstanden? Bisweilen richten sie in Menschenseelen Fürchterliches und erreichen das Gegenteil von dem was, sie wollen.
Huizing schildert sie aus der Sicht eines Jugendlichen, der versucht, sich in diesem Kosmos von Gott und Angst, Freiheitsdrang und Verboten zurechtzufinden. Ein köstliches Sittenbild der Siebziger Jahre entsteht. Einer vor-internetten Zeit, in der der Quelle-Katalog zum Tor in die aufregende Welt wurde, in der Karl-Heinz Köpcke stoisch die Nachrichten las und fromme alte Menschen noch dachten, sie könnten den Zeitgeist – und die vermeintlichen Unsittlichkeit besiegen. Köstlich, wie Huizing auch das sexuelle Erwachen des Hendrik Hemsterhuis beschreibt, der versucht, seine ersten Knutscherfahrungen mit seinem Gottesbild überein zu kriegen. Huizing: „Eine Pubertätserfahrung war zum Beispiel, dass die Körnung der Zunge bei allen Menschen sehr unterschiedlich ist. Und das habe ich, wenn man so will, auf Gott hochgerechnet und gedacht: Er ist ein Schlawiner er passt auf, dass es uns auf der Erde auch nicht langweilig wird.“
Ja, vielleicht ist Gott ein Schlawiner – Klaas Huizing ist in jedem Fall ein sehr wortgewandter und kluger Schriftsteller. Gut, dass er uns an seiner Leidenschaft für die Kühe und für die seltsamen Seiten des norddeutschen Protestantismus teilhaben lässt.
Klaas Huizing: Das Testament der Kühe. Roman. 252 Seiten, Verlag Klöpfer, Narr, Tübingen 2020