Gideon Böss – Deutschland, deine Götter

Gideon Böss – Deutschland, deine Götter

Was für ein witziger Trip: Journalist Gideon Böss will wissen, wo und wie in Deutschland geglaubt wird. Also reist er los, christliche Kirchen, klar, Moscheen, Synagogen, buddhistische und hinduistische Tempel – aber auch Sekten, Hexen, Splittergrüppchen sucht er auf, von den Zeugen Jehovas bis Osho, von der Heilsarmee bis zu den Piusbrüdern, Naiv und neugierig befragt er die Menschen, die er dort trifft: Was macht und glaubt ihr?

Es entspinnen sich außergewöhnliche Gespräche ohne Häme und Ironie: Böss schildert die Atmosphäre der Begegnungen so detailverliebt und sachlich, dass sie inhaltsreich, unterhaltsam und humorvoll sind. Auch in der Region der EKBO liegen viele Ziele, und was für welche! Böss besucht die Berliner Scientology „Kirche“, köstlich der Dialog mit der Pressesprecherin und die Schilderung einer „Sonntagsandacht“.

Dann fährt Böss in die Provinz: In Templin besucht er „Bruder Spaghettus“, Oberhaupt der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“. Böss ist enttäuscht: „Diese Satirereligion hat mit Satire eigentlich nichts zu tun.“ Und er fährt zurück nach Berlin: Hier trifft er den einzigen „Realisten“ Berlins, einen Ex-Muslim und Anhänger einer Ufo-Religion. Seriöser wird es beim Besuch des Berliner Bahai-Büros. „Hier ist das Licht!“, steht verheißungsvoll an der Hauswand – der Slogan entpuppt sich dann aber doch als Werbung einer Lampenfirma, nicht der Bahai.

Und ab ins Auto aufs Land, diesmal in die „Friedensstadt Weißenberg“ bei Trebbin, ins Zentrum der „Johannischen Kirhe“, die 1926 von dem Berliner Kirchenreformer Joseph Weißenberg gegründet wurde. Beim Passionsspiel sitzt Böss hinter der verehrten Enkelin des Kirchengründers und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Wer etwas über Religion wissen will: Kein Lexikon kaufen sondern mit Gideon Böss auf Reisen gehen – oder, noch besser: Selbst auf Reisen gehen und Fragen stellen.

Gideon Böss: Deutschland, deine Götter. Eine Reise zu Kirchen, Tempeln, Hexenhäusern. Tropen Verlag / Klett-Cotta Stuttgart 2016, 398 Seiten, 19,95 Euro

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