Deborah Feldmann – Unorthodox

Deborah Feldmann – Unorthodox

„Ich hatte immer einen starken Willen. Und ich wusste früh, ich würde dort irgendwann rauskommen.“ Deborah Feldmann wirkt wie eine ganz normale junge Frau. Im schwarzen Shirt und mit rotem Rock stellte sie auf der Probebühne des Berliner Ensembles ihre Lebensgeschichte und ihr Buch vor. Der Titel weist darauf hin, wo sie denn da rausgekommen ist: aus einer ultra-orthodoxen jüdisch-chassidischen Sekte, genannt die „Satmarer“.

Rund 120 000 Männer und Frauen leben nach strengsten jüdischen Regeln mitten in Brooklyn/New York. Ein Ghetto, in dem die Welt stehengeblieben zu sein scheint. Die Sekte wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Holocaust-Überlebenden gegründet; sie glauben unter anderem, dass die Verfolgung der Juden unter den Nazis eine Strafe Gottes für ihre Assimilation und für die Pläne zur Staatsgründung Israels war. Ziel der Satmarer ist es, durch vermeintlich gottgefällige Lebensweise eine neue Shoa zu verhindern.

Im eisigen Klima von Selbstverleugnung und Unfreiheit wuchs Deborah Feldmann auf. Doch sie fügte sich nicht willenlos dem System. Die strenge Unterwerfung unter die Regeln empfand sie als ungerecht, las heimlich verbotene Literatur und hinterfragte die Lebensweise ihrer Gemeinde. In ihrem Buch schildert sie ergreifend, wie es ihr als Heranwachsender erging: Wie sie zwangsverheiratet wurde und ihr Körper gegen die sexuelle Ausbeutung rebellierte. Allem Druck zum Trotz fand sie Mut und Kraft, sich den Fesseln der religiösen Extremisten zu entziehen und die Gemeinde zu verlassen.

Später schrieb sie sich Angst und Einsamkeit, Ekel und Wut vom Leibe. Entstanden ist ein gleichsam feinsinniges wie erschütterndes Dokument des Kampfes einer Frau um Selbstbestimmung. In New York stand das Buch auf den Bestsellerlisten. Die deutsche Ausgabe ist nicht nur ein literarisches, sondern auch ein wunderschönes bibliophiles Meisterwerk. Seit kurzem lebt Deborah Feldmann übrigens mit ihrem Sohn in Berlin – „eine Stadt der Ruhe und des Aufbruchs“, in der sie ohne Angst leben kann.

Deborah Feldmann: Unorthodox. Secession Verlag für Literatur, Zürich/Berlin 2016. 320 Seiten, 22,00 Euro

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