Denn wir haben Deutsch. Luthers Sprache aus dem Geist der Übersetzung
„Denn wir haben Deutsch“ – hä? Seltsamer Titel, was soll das bedeuten: Wollen da welche zum Deutschunterricht? Oder ist das Slang, so nach dem Motto, „Wir haben fertig?“ Nein, der Buchtitel knüpft an eine Aussage Martin Luthers an, in der er seinen Übersetzungsgrundsatz beschreibt: „… denn ich habe deutsch, nicht lateinisch noch griechisch reden wollen“. Der Umsetzung seines Vorhabens haben wir die heutige Wortgewalt der deutschen Sprache zu verdanken.
Das Deutsch, das wir heute sprechen, wäre ohne Luthers Glaubens- und Übersetzungsleidenschaft an sprachlichen Möglichkeiten und Wörtern ärmer. Das behaupten übrigens nicht nur Theologen, die die Bedeutung des Reformators steigern wollen. Welche Tricks Luther verwendete, haben professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer herausgefunden, viele von ihnen stammen aus Berlin. „Die sinnliche Kraft von Luthers Sprache“ habe sie mitgerissen, schreiben sie im Vorwort. Das merkt man: Neugierig zerlegen sie Luthers Übersetzungen, vergleichen sie mit anderen, auch vorlutherischen deutschen Bibeln und der Bibelübertragung von Martin Buber und Franz Rosenzweig, und erkunden die Zusammenhänge.
Viele Beispiele bringen sie, etwa Psalm 23, an dessen deutscher Version Luther lange feilte, bis sie perfekt war. Interessant, wie er Substantive aneinanderreihte und Verben wohl platzierte; kühn und theologisch folgenreich, wie er den gefühlten Sinn der hebräischen oder griechischen Begriffe in deutsche Worte kleidete, die fortan das Glaubensverständnis prägten; genial, wie er manche biblischen Texte zu kleinen, leicht verstehbaren bisweilen sogar unterhaltsamen literarischen Kunstwerken formte. „Dafür können wir ihm dankbar sein“, meint Sibylle Lewitscharoff in ihrem einleitenden Beitrag, „und zwar nicht nur der schrumpfende Teil unserer Gesellschaft, der bis heute bibelhörig geblieben ist.“
Marie Luise Knott, Thomas Brovot, Ulrich Blumenbach (Hg.): Denn wir haben Deutsch. Luthers Sprache aus dem Geist der Übersetzung. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2015, 334 Seiten, 24,90 Euro