Giorgio Agamben – Pilatus und Jesus
Kennen Sie die Pasolini-Verfilmung des Matthäus-Evangeliums? Dann sind Sie Giorgio Agamben schon mal begegnet. Der Philosophieprofessor spielt darin den Apostel Philippus. Agamben überspringt gerne mal Grenzen, stand mit Pasolini in Kontakt und mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, auch mit Martin Heidegger und Hanna Ahrendt. In Venedig und Verona lehrte Agamben, zeitweise auch in Düsseldorf und Köln. Fasziniert ist der inzwischen emeritierte Philosoph von der Bibel und von der Theologie. Nun hat er sich die Passionsgeschichte vorgenommen, genauer: die Begegnung von Jesus und Pontius Pilatus. Der Berliner Matthes & Seitz-Verlag hat Agambens verblüffende Einsichten auf Deutsch herausgebracht. Zwei elementare Prinzipien stehen sich in dem Konflikt gegenüber, meint Agamben: Geschichte trifft auf Unendlichkeit, Urteil auf Heil. „Mit spürbarer Lust verwirrt Agamben seine Leser, erinnert an eine kirchenväterliche Tradition, nach der nicht Pilatus, sondern Jesus auf dem Richterstuhl gesessen habe: „Es ist nicht einmal klar, wer eigentlich Gericht hält, der von der weltlichen Macht rechtmäßig eingesetzte Richter oder der Richter aus Hohn, der das Reich vertritt, das nicht von dieser Welt ist.“ Im Prozess laufe alles auf die Unterscheidung von Erlösung und Gerechtigkeit hinaus. „Die Welt in ihrer Vergänglichkeit will nicht Erlösung, sondern Gerechtigkeit.“ Agambens Fazit: „Als unrettbare urteilen die Geschöpfe über das Ewige – so lautet das Paradox, das Jesus zuletzt, als er vor Pilatus steht, das Wort entzieht. Hier ist das Kreuz, hier ist die Geschichte.“ Das klingt ziemlich dunkel – und bietet Stoff für viele Diskussionen.
Giorgio Agamben: Pilatus und Jesus. 64 S., Verlag Matthes und Seitz Berlin 2014, € 10,-