Hanna Spiegel – „Gefesselte Kirche“. Facetten aus dem Leben des Bildhauers und Predigers Wilhelm Groß

Hanna Spiegel – „Gefesselte Kirche“. Facetten aus dem Leben des Bildhauers und Predigers Wilhelm Groß

Die wirklich interessanten Geschichten stammen nicht von Drehbuchautoren, sondern die schreibt das Leben. Zum Beispiel die des Bildhauers und Predigers Wilhelm Groß. Vielen sind seine Kunstwerke bekannt: der kniende Christus vor Gethsemane, der in der gleichnamigen Berliner Kirche steht; der Fischerbrunnen in Rügenwalde oder die Amos-Skulptur in Stralsund: Kunstwerke, die eine geheimnisvolle, geradezu mystische Kraft ausstrahlen.

Hanna Spiegel lebt in Oranienburg – dem Ort, in dem Groß 1974 starb; im hinterpommerschen Schlawe ging sie zur Schule, dort wurde Groß 1883 geboren. Diese Gemeinsamkeit brachte Hanna Spiegel dazu, in das Leben Wilhelm Groß‘ einzutauchen. Sie sammelte, recherchierte, sprach mit Zeitgenossen – und fügte schließlich alles zu einem Buch zusammen. Staunend lese ich, wie einflussreiche Förderinnen das künstlerische Talent des Jugendlichen entdecken; ich sehe, wie er im Berliner Zoo Tiere zeichnet und im Alter von 15 Jahren vom renommierten Künstlerbund einen Preis verliehen bekommt. Groß lebt drei Jahre lang in Florenz, lernt Ernst Barlach kennen, Max Liebermann fördert ihn. 1913, der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten voraus, hat Groß ein Bekehrungserlebnis. Fortan fühlt er sich von Gott berufen, den Glauben zu verkünden.

Biblische Figuren und Themen stehen von nun an im Mittelpunkt seines Werkes. Er heiratet, zieht 1919 in die Genossenschaft von Eden bei Oranienburg. 1933 stufen die Nazis seine Kunst als entartet ein, er wird mit Berufsverbot belegt – und schließt sich der Bekennenden Kirche an. Der Bruderrat ordiniert ihn 1945 offiziell zum „Prediger“. Groß blieb nach der Teilung Deutschlands in der DDR. Eine große, bleibende Anerkennung seines Werkes blieb auch nach seinem Tod aus.

Hanna Spiegel: „Gefesselte Kirche“. Facetten aus dem Leben des Bildhauers und Predigers Wilhelm Groß. Edition Pommern, Elmenhorst 2014. 98 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 12,95 Euro

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert