Martin Brama: Mein Deckname war „Schuft“

Martin Brama: Mein Deckname war „Schuft“

„Was hast Du im Westen erlebt?“ – „Welche Erfahrungen hast Du im Osten gemacht?“ Letztlich sind es die Lebensgeschichten, die die Geschichte verstehbar machen – auch die der Trennung und Wiedervereinigung Deutschlands. Viele Menschen schreiben ihre bisweilen unglaubliche Geschichte auf. Die neuen Möglichkeiten der preiswerten und verlagsfreien Buchveröffentlichung führen dazu, dass sich ein Genre der Volksbiografien entwickelt: spannende Geschichten, die das Leben schrieb und die so außergewöhnlich sind, dass kein Romanautor sie sich hätte ausdenken können. Aber verfasst von Autoren, die keine professionellen Schreiber sind. Die Lektüre wird so bisweilen zur Arbeit – doch die wird belohnt durch das Kennenlernen der Geschichte aus erster Hand.

Das Buch von Martin Brama gehört dazu. 1943 geboren, verlebte er seine Kindheit im Ostteil Berlins und studierte in den 1960er Jahren Theologie. Im Alter von 25 Jahren wurde er von der Staatssicherheit wegen „staatsfeindlicher Hetze und Propaganda“ sowie sogenannter „subversiver Diversion“ zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Grund: eine Flugblattaktion sowie seine sieben Jahre zurückliegende Korrespondenz mit einem weißrussischen Jugendlichen. Nach 16 Monaten Zuchthaus wurde Brama von Westdeutschen freigekauft – blieb aber, unfassbar, trotzdem in der DDR.

Sein christlicher Glaube und das feste Band seiner Familie bewahrten ihn nach eigenen Angaben vor psychischen Folgeschäden. Brama fand einen Beruf in der Behindertenarbeit, wurde leitender Angestellter. Und wurde nun von der Staatssicherheit intensiv umworben. Die dafür von der Stasi bewilligten Westreisen nahm er an, sträubte sich aber freundlich und vehement immer wieder gegen Anwerbungsversuche. Diese gefährliche Gratwanderung, seine Erlebnisse als politischer Häftling im Zuchthaus Cottbus sowie seinen alltäglichen mutiger Kampf gegen die SED-Diktatur schildert er in seiner Autobiografie.

Martin Brama: Mein Deckname war „Schuft“. Zuchthaus und Stasi-Anwerbung überstanden im christlichen Glauben. OEZ Berlin-Verlag 2016, 398 Seiten, 16,90 Euro

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