Micha Brumlik – Der Anti-Alt

Micha Brumlik – Der Anti-Alt

Ein Mann sieht rot: „Religionskitsch“, „Märchen“, „Lüge“ sind noch die harmloseren Wortgeschütze Micha Brumliks bei Lektüre der Jesus-Bücher Franz Alts („Frieden ist möglich. Die Politik der Bergpredigt“; „Liebe ist möglich. Die Bergpredigt im Atomzeitalter“; „Jesus – der erste neue Mann“). Letzteres Werk animiert den Heidelberger Religionspädagogen gar zu Vorwürfen, die, um im Bild zu bleiben, nur als verbale „cruise missiles“ bezeichnet werden können: Alt verbreite Antisemitismus und säe Angst und Hass.

Seine Kritik am Baden-Badener „Report“- Chef fasste Brumlik in einem Buch zusammen: „Der Anti-Alt“. Wider dessen „furchtbare Friedfertigkeit“ will er darin vorgehen. Das soft dreinlächelnde Konterfei Franz Alts auf dem Titel ist sicherlich nicht überinterpretiert, versteht man es als Abschreckung.

Auf den 124 Seiten des Pamphlets finden sich viel Polemik (keine billige, verspricht der Verlag), wenig Analyse und noch weniger sachliche Auseinandersetzung. Das widerspräche auch der Intention des Autors und des Verlages. Denn beide verstehen es als Beitrag zur in deutschen Landen leider wenig gepflegten Streitkultur.

Ein Pamphlet also: Polemik ist erlaubt, ja erwünscht. Ein literarische Form, deren Fehlen mitverantwortlich ist für die Langeweile, die auf dem theologischen Buchmarkt herrscht. Ernst Käsemanns „Ruf der Freiheit“, das gegen die Evangelikalen polemisierte, Gerhard Lohfink und Rudolf Peschs Anti-Drewermann-Buch – nur wenige Theologen trauen sich, gegen ihre Kollegen auch mit scharfen Worten zu argumentieren.

Intellektuelle Feindbilder erzeugen Leidenschaft – die merkt man jeder Seite in Brumliks Buch an. Lustvoll seziert er das Altsche „wilde Gemisch von Friedensbewegung, New Age-Psychologie, missverstandener Religionsphilosophie und politischer Agitation“; wortgewandt polemisiert er gegen das „Pappi-Gottes-Bild“ des 51-jährigen Christen; erbarmungslos steigt er in die Tiefen der Persönlichkeit des „christoiden Publizisten“ hinab, jenem „besinnungslosen Abziehbild von zwei Jahrtausenden Antisemitismus“.

Reduziert man Brumliks Pamphlet auf die Argumentation, bleibt wenig übrig, dabei viel Altbekanntes. Auf vier Ebenen kritisiert er Alts Bestseller-Trilogie: auf der ökonomischen, der geschlechtlichen, der theologischen und der psychologischen.

Die erste ist vergleichsweise harmlos und hergesucht. Wer einen reißerischen Titel wie „Anti-Alt“ herausgibt, sollte sich bedeckt halten mit Kritik gegen eine verkaufsorientierte rot-grüne Titelgestaltung, die mit ihrem „ökologischen touch“ alternative Käuferschichten der achtziger Jahre anziehen sollte.

Überzeugender wirkt das Kapitel „Alt und die bewegten Frauen“. Brumliks Vorwurf: Jesus verkomme zu einer Art „frühen Oswalt Kolle“, wodurch der Geschlechtsverkehr eine geradezu erlösende Wirkung erhalte. Eine These, die Brumlik belustigt, doch besorgt in die Zukunft kirchlicher Beratungsstellen sehen lässt: „Ein ganz neuer Formenkreis ekklesiogener Neurosen, hier die impotentia redemptionis, wäre zu studieren.“ Außerdem begebe sich Alt mit seiner Forderung nach einer nach-patriarchalistischen Theologie in gefährliche Nähe zur feministischen Theologie. Ohne die komplexen Debatten im Lager der feministischen Theologinnen zu reflektieren, übernehme er Gedanken der Religionslehrerin Christa Mulack, um seine eigenen Aussagen zu unterstützen. Diese „selbsternannte Radikalfeministin“ sei jedoch vollkommen indiskutabel, da sie für das Judentum keinerlei Sympathien hege, im Gegenteil: Judentum gelte ihr als „Inbegriff einer patriarchalischen Machtergreifung, einer welthistorischen Katastrophe, die endlich zum Nationalsozialismus und schließlich zur atomaren und ökologischen Katastrophe führte“.

Brumlik kommt zu seiner Kernthese, die ans Eingemachte geht: Alts Jesus-Trilogie, vor allem sein Buch vom „ersten neuen Mann“, sei „der erste antisemitische Bestseller seit 1945.“ Hier beginnt der stärkste Teil Brumliks Buches, das Pamphlet beginnt sich einer sachliche Auseinandersetzung zu nähern.

Denn tatsächlich finden sich in den Büchern des „Reporters“ unterschwellig antijudaistische Argumentationen. Immer wieder betont der theologische Laie Alt, Christus habe das Judentum, das jüdische Gottesbild, überwunden. Brumlik hat bei seiner Kritik den Großteil der neutestamentlichen Wissenschaft auf seiner Seite: Jesus war ein besonders gesetzestreuer Jude, wie nicht nur die Antithesen der Bergpredigt belegen. Zwar distanzierte er sich von einer vergesetzlichten pharisäischen Strömung – niemals jedoch setzte er das Gesetz, die Thora, außer Kraft. Mit der Definition des Judentums als unmenschliche, weil gesetzeshörige Autoritätsreligion, errichtet Alt ein Feindbild, auf dessen Hintergrund sein Jesus-Bild umso schillernder strahlt. Brumlik hat Recht, wenn er warnt, „dass der Geist des Judentums nicht mit seinen Verzerrungen gleichgesetzt werden darf.“ Mehr noch: Alt typisiert sein Zerrbild zu einer zu überwindenden „Männerethik“. In derselben Akte „Patriarchat“ legt Alt zu allem Überfluss kindermordende SS-Männer ab. Alts verhängnisvolle Assoziationskette: Pharisäismus = Patriarchat = Gewissenlosigkeit = Nazi-Schergen. Mit anderen Worten: Die Juden sind schuld am eigenen Unglück.

Micha Brumlik: Der Anti-Alt. Wider die furchtbare Friedfertigkeit. Eichhorn, Frankfurt a. M. 1991, 124 Seiten, ISBN 382180453X

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