Ulrich Werner Grimm (Hg.) – Aufstörung tut not
Christen und Juden – ist das Thema nicht längst durch? Nein, gar nicht. In den Gelehrtenstuben nicht – die wurden ja gerade durch den Streit erschüttert, in welcher Weise das „Alte“ Testament zur „christlichen“ Bibel gehört. Im Kirchenvolk nicht – noch immer ernten Pfarrer ungläubiges Staunen, wenn sie die so schlichte wie unumstößliche Wahrheit verkünden: „Jesus war und blieb Jude.“ Und in der derzeitigen aufgeregten gesellschaftlichen Lage auch nicht, in der der Zentralrat der Juden vor wachsendem Antisemitismus warnt.
Dialog zwischen Christen und Juden ist also weiterhin nötig. Die „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ ist eine wichtige und konstante Größe in diesem Dialog, in Berlin seit 1949. Ihr Wirken sei wichtig, weil „weiterhin radikale Aufstörung not tut“, sagte der einstige Regierende Bürgermeister Berlins, Pfarrer Heinrich Albertz. Aus seinem Satz ist der Titel des Sammelbandes geformt, der wichtige Texte aus der Geschichte des christlich-jüdischen Dialogs präsentiert.
Erwartbar kann nicht jeder Text einlösen, aufzustören; viele sachliche Vorurteilsentkräftungen sind zu finden, zwischendrin aber auch einige Phrasen, die sich Protagonisten anlässlich Gedenkfeiern einfallen ließen. Weise hat der Herausgeber Ulrich Werner Grimm die Texte alphabetisch angeordnet, das schafft unerwartete Querverbindungen; ein Witz beendet die Sammlung und zeigt, dass Humor manchmal die vielen Worte und Bekundungen toppen kann.
Besonderes Highlight: Ein Faksimile der Begründung, mit der Helmut Gollwitzer 1985 die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit „schmerzlich“ verließ – ihm missfiel, dass bei der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit ganz und gar unversöhnliche Politiker wie Franz-Josef Strauß zu Wort kamen.
Ulrich Werner Grimm (Hg.): Aufstörung tut not. Christen und Juden im Gespräch, Verlag Hentrich und Hentrich Berlin 2014, 256 Seiten, 10 Abb., 22,00 Euro